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Bullet Train - APPROVED

Glücklose Auftragskiller und ein Marienkäfer:

Im Kino wurde ich mit Bullet Train wunderbar unterhalten. Es war schräg, bunt, frech und hatte genau das Maß an gewalttätiger Action, die ich würdigen kann. Zusätzlich gefiel mir der Humor, der mich an die Coen Brothers erinnerte. Sobald der Abspann lief, war ich jedoch erneut gespannt. 
Based on the book by Kotaro Isaka 
Eine Buchadaption? Wie würde die Handlung dieses Films bloß in einem Buch funktionieren? Das wollte ich herausfinden.

Darum geht's:

Der Shinkansen fährt in Tokyo ab. An Bord befinden sich jedoch keine einfachen Passagiere. Unter braven Bürgern oder hinter deren Fassade verstecken sich Auftragskiller, Kriminelle und Psychopathen. Dann wäre da noch dieser mysteriöse Koffer, der Nanaos Ziel ist. Doch seine Pechsträhne verkompliziert diesen angeblich einfachen Auftrag.

Approved:

In diesem unterhaltsamen Thriller wird das Innenleben einiger sehr unterschiedlicher Charaktere beleuchtet. Nanao, der glücklose Marienkäfer. Lemon und Tangerine, die Zitrusfrüchte, ein Profigangster-Duo. Kimura, ein Alkoholiker auf Rachefeldzug für seinen kleinen Sohn. Und der Prinz, Oji, der sie alle an Skrupellosigkeit übertrifft. Es gibt noch weitere Perspektiven, die ich hier nicht vorweg nehmen möchte.
Jede dieser Figuren versucht, die anderen zu überlisten. Hier kommt auch die Stärke des Buches gegenüber dem Film heraus. Die Charaktere haben allesamt nachvollziehbare Motive, eigene Stimmen, Interessen und Herangehensweisen. Da ist der eher bauernschlaue Tangerine, der jeden Menschen mit seinen Lieblings-Cartoon-Figuren vergleicht. Seine Lebensphilosophie wird genauso klar wie die es selbstgefälligen Oji oder des gebrochenen Kimura.
Was mir noch besonders gut gefiel: Zwar überwiegt auch im Buch die Männerquote, aber dafür sind die Frauencharaktere wesentlich interessanter und aktiver gestaltet. Zwar bekommen sie keine eigenen Perspektiven, aber dafür wirken sie neben den Männern keinesfalls blass oder in Rollen gepresst, die ihnen nicht passen.
Das Buch hat mir wirklich Spaß gemacht. Die Machtspiele zwischen den Figuren bauen ein Tempo auf, das bis zum Schluss andauert. Die Auflösung hat mich mit einem angenehm nachdenklichen Gefühl zurückgelassen.
Bis auf ein paar Übertreibungen im Film wurde dieser aber angemessen für das westliche Kino adaptiert. Die Action wird toll inszeniert, die Besetzung und einige Veränderungen in der Handlung sorgen für gutes Popcorn-Kino.
Ich kann also beides empfehlen, denn letztlich waren Buch und Film zwei gänzlich unterschiedliche Erfahrungen. Jedes hat aus seinem Medium das Beste herausgeholt. 

Spoiler:

Ich denke, im Vergleich von Buch und Film gibt es eine Änderung, die das Buch deutlich besser macht.
 
Oji. Der Prinz. Im Buch ist dieser ein Schüler, der seine Jugend ausnutzt, um vor Erwachsenen harmlos und naiv dazustehen. Dabei ist er kalt, berechnend und grausam. Er manipuliert jeden und das auch noch nur zum Spaß. Er hat keinen respekt vor dem Leben und hat eine diebische Freude daran, wenn andere auf seine Tricks hereinfallen. Er sieht sich als Glückspilz, der allen Überlegen ist.
Im Film versuchen die Filmemacher diese Rolle eines psychopathischen Nihilisten mit einem Mädchen auszutauschen. Grundsätzlich könnte Oji durchaus auch eine weibliche Figur sein. Doch der Kern Ojis sind seine Manipulationskünste. Diese werden bei der weiblichen Besetzung auf eines reduziert: Sex. Denn wenn eine Frau sich naiv gibt, verletzlich, kommt es schließlich zu solchen Assoziationen. So muss der weibliche Prinz nur das Opfer einer sexuellen Belästigung mimen und schon hat sie Leute auf ihrer Seite.
Das ist nicht nur plump, es ist auch ein gefährlicher Trugschluss.
Oft genug wird behauptet, dass Mädchen und Frauen falsche Beschuldigungen raushauen, wenn es ihnen unbequem wird. Was nicht den Tatsachen entspricht. Ebenso wenig, dass ihnen automatisch geglaubt wird. Mit der Darstellung des Prinzen als manipulative junge Frau befeuert der Film also ein Klischee, das weder überrascht noch Ojis Charakter entspricht. Denn er verachtet Erwachsene dafür, dass sie ihn wegen seiner Jugend unterschätzen. Das bewegt sich bei dem weiblichen Prinzen in ein Sexismus-Thema, das zu keiner Diskussion beiträgt. Zumal ihr Ziel letztlich die Anerkennung eines Mannes, ihres Vaters ist. Dieses Motiv schmälert alles, wofür Oji eigentlich steht. Er will die Welt nur brennen sehen und überschätzt sich dabei maßlos, was seine Demaskierung und seinen mutmaßlichen Untergang nur befriedigender macht. Er ist ein echter Bösewicht. Der weibliche Prinz nur eine Pappfigur.

Das war letztlich das einzige, was mir wirklich übel aufgestoßen ist. Diese Änderung hat natürlich auch Auswirkungen auf den letzten Akt des Films, der im Vergleich zum Rest tatsächlich stark schwächelt oder etwas zu übertrieben daher kommt.
 

❤Für Fans von:

Filmen der Coen-Brüder, Park Chan Wook

Eckdaten:

Titel: Bullet Train
Autor: Kotaro Isaka
381 Seiten
Verlag: Hoffmann und Campe
Thriller

 
Unbezahlte Werbung 


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