Eine verrückte, lebendige Welt und eine fantastische Reise:
Hinter einem schlechten Film steckt oft eine viel bessere Buchvorlage. Daher bin ich beinahe froh, wie sehr mich die Verfilmung von Mortal Engines – Krieg der Städte damals enttäuscht hat. Obwohl ich die Bücher gar nicht kannte, war an vielen Stellen zu spüren, dass etwas fehlte. Die Figuren waren platt und dadurch die Handlung belanglos – dabei passierten so viele abgefahrene Dinge! Riesige, fahrende Städte, ein entstelltes Mädchen auf dem Kriegspfad, Luftschiffe, ein mysteriöser, wiedererweckter Cyborg-Soldat, Schwertkämpfe ... Wie konnte das sein?! Das musste ich erstmal mit dem Lesen des ersten Bandes überprüfen.
Und damit begann meine Reise in eine Welt wahnsinniger Wissenschaftler, absurder Technik und vielschichtiger Figuren.
Darum geht's:
Tom Natsworthy ist Historiker-Gehilfe der riesigen Traktionsstadt London. Seit dem 60-Minuten-Krieg ist die Welt im Wandel. Aus Asche und Trümmer haben die Menschen ihre Städte neu aufgebaut und und letztlich mobil gemacht. Die fahrende Stadt London befindet sich nach langer Zeit wieder auf Beutezug, kleinere Orte zu verschlingen und ergreift eine Kleinstadt. Bei der Ausschlachtung begegnet Tom seinem Idol Thaddeus Valentine, dem großen Historiker und Abenteurer. Doch da verübt ein vermummtes Mädchen ein Attentat auf Valentine. Doch es missglückt und Tom stellt sie nach einer Verfolgungsjagd. Das Mädchen, Hester Shaw, hat eine grässliche Narbe, die ihr Gesicht spaltet. Diese und den Tod ihrer Eltern habe sie Valentine zu verdanken. Sie entkommt. Doch obwohl Tom ihr nicht glaubt, hat er zu viel gehört und Valentine schubst ihn von Bord der gewaltigen Stadt ...
Approved:
Ich habe nun alle vier Bände gelesen und das Gefühl, ein Universum voller lieber Freunde verlassen zu haben. Der Buchkater ist real.
Es ist unglaublich, was alles passiert. Da man allein mit groben Inhaltsangaben spoilern würde, zunächst einmal nur vage:
Krieg der Städte deckt die Handlung des Films ab. Allerdings sind die Charaktere und das Ende völlig anders. Das beginnt schon bei Hester, deren Narbe im Buch immer wieder als absolut grausame Entstellung deutlich gemacht wird und auch für Probleme sorgt. Der "Bösewicht" Valentine hat viel mehr Facetten. Und die Fallhöhe der Charaktere ist wesentlich größer.
Was mich zu meinem nächsten Punkt führt: Philip Reeve geht sehr realistisch mit seinen Figuren, ihren Schicksalen und den Konsequenzen um. Das Gute und das Böse existiert nicht – nur Menschen mit Zielen und Wünschen. Deswegen muss man sich auch von manchen liebenswerten Figuren verabschieden oder damit rechnen, dass jemand wieder auftaucht, der Rache üben will. Dabei sei auch erwähnt, dass es ab Band 3 Der Grüne Sturm einen Zeitsprung gibt, der aber alles noch einmal spannender macht. Alleine, wo es Charaktere hin verschlägt und wie es sie mit anderen Handlungssträngen zusammenführt, ist meisterhaft gemacht.
Genau diese Verwicklungen sind es, welche die Handlung so mitreißend machen.
❤ Für Fans von:
Die Luna-Chroniken
Die Tribute von Panem
Harry Potter
und Steampunk aller Art
💀 Spoiler:
Gerade die Entwicklung der zahlreichen Charaktere machen Reeves' Welt so lebendig. Dabei hilft die allwissende Erzählperspektive, durch welche man die Motive und Handlungen verschiedenster Figuren nachvollziehen kann. So auch Valentines. Im Buch wird immer deutlicher, dass er nur ein Handlanger ist. Vor allem aus Angst folgt er Befehlen und hat die Kraft für grausame Taten. Aber es wird auch deutlich, was ihn antreibt. Seine Tochter Katherine.
Dann wäre da noch die wunderbare, liebevolle Anna Fang. Ihr Tod ist der epische Beginn einer unvorhersehbaren Tragödie.
Shrike nicht zu vergessen. Bei jedem Auftritt des Stalkers hatte ich eine Gänsehaut. Die Mischung aus furchteinflößender Maschine und verquerer Menschlichkeit machen ihn zu einem Charakter mit grausiger Anziehungskraft.
Überrascht hat mich das konsequente Ende des ersten Buches. Anders als im Film wird London unbarmherzig ausgelöscht. Katherine stirbt in den Armen ihres Vaters. Valentine lässt in Resignation Tom und Hester ziehen und ergibt sich seinem Schicksal.
Seelisch tief gezeichnet folgen wir Tom und Hester in Buch 2 Jagd durchs Eis in neue Sphären der Welt von Mortal Engines. Über Land, Luft und Wasser. Und überall verstecken sich Geheimnisse, alte Freunde und neue Feinde, Totgeglaubte und solche, die lieber tot geblieben wären.
Eckdaten:
Serientitel: Mortal Engines
Band 1: Krieg der Städte
Band 2: Jagd durchs Eis
Band 3: Der Grüne Sturm
Band 4: Die verlorene Stadt
Autor: Philip Reeve
Ø 400 Seiten pro Band
Verlag: FISCHER Tor
Steampunk, Fantasy
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